Am Montag gab es erfreuliche Post. In Revisionsverfahren ist das Öffnen von Nachrichten der Obergerichte, insbesondere wenn sie eine Beschlussausfertigung enthalten, oft eine frustrierende Angelegenheit. Anders als vielfach kolportiert, scheitern Revisionen – auch mit Verfahrensrügen – keineswegs bloß daran, dass die damit betrauten Kollegen ihr Handwerk nicht verstünden. Auch guten Verteidigerrevisionen bleibt nur allzu häufig der Erfolg versagt (zu den Gründen vielleicht ein anderes Mal mehr).
Hier aber war es anders: Der zuständige 2. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (öffnet in neuem Tab) hat ein Berufungsurteil des Landgerichts Kiel auf die Revision unseres Partners Dr. Molkentin hin aufgehoben, weil dieses unterVerfahrensfehler (Verletzung von § 261 StPO (öffnet in neuem Tab), sog. Inbegriffsrüge) litt, der die Entscheidung zuungunsten des Täters beeinflusst haben könnte.

Es ging um die Mitwirkung an einem „Polizistentrick“-Betrugsplan, der allerdings unter den Augen und Ohren der schnell hinzugezogenen Polizeibeamten zum Scheitern verurteilt war. Unser Mandant hatte bei seiner Ergreifung und ebenso dann vor dem Schöffengericht das ihm angelastete Tatgeschehen unumwunden eingeräumt und dennoch eine relativ harte, nicht mehr aussetzungsfähige Strafe erhalten. Auf den Rat des Kollegen Molkentin hin hatte er dann in der Berufungshauptverhandlung geschwiegen, so dass (ganz unproblematisch, § 254 Abs. 1 StPO (öffnet in neuem Tab)) das Protokoll seiner Angaben zur Sache aus der erstinstanzlichen Hauptverhandlung verlesen wurde.
Das Urteil: umfassende Verwerfung der Berufung, es blieb bei der vom Amtsgericht ausgeurteilten Strafe. Auch die Einordnung der vorgeworfenen Tat als versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Betrug (§ 263 Abs. 5 StGB (öffnet in neuem Tab)) hatte Bestand. Dabei waren aus Sicht der Verteidigung neben dem Eintritt in das Versuchsstadium (in Abgrenzung zur straflosen Vorbereitung) besonders die Voraussetzungen einer bandenmäßigen Begehung fraglich.
Dies war von herausragender Bedeutung in doppeltem Sinne: Wenn ein Versuchsbeginn nicht angenommen werden kann, kommt allein eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB (öffnet in neuem Tab) in Betracht. Dafür wiederum müssten die Vorbereitungen auf ein Verbrechen gerichtet sein, also eine Tat mit einer Mindeststrafe von einem Jahr (§ 12 Abs. 1 StGB (öffnet in neuem Tab)). Und das wäre eben nur dann der Fall, wenn es sich um eine bandenmäßige Begehung handelte – ohne eine solche müsste dann also ein Freispruch erfolgen. Folgte man der Verteidigung nicht und nähme den Eintritt in das Versuchsstadium (ohne Bandenmäßigkeit) an, würde sich für den (dann versuchten gewerbsmäßigen) Betrug immerhin ein deutlich milderer Strafrahmen (§ 263 Abs. 3 StGB (öffnet in neuem Tab), zudem bloßes Regelbeispiel!) ergeben.
Für die Verurteilung wegen bandenmäßiger Begehung war entscheidend, ob dem Mandanten bewusst war, dass er mit der Übernahme der Rolle des „Abholers“ als Teil einer Bande agieren würde. Über diese Hürde hatte sich das Landgericht allein mittels einer ersichtlich unzutreffenden Wiedergabe des Inhalts des verlesenen Vernehmungsprotokolls hinweggesetzt. Den Ausführungen in der Urteilsbegründung zufolge sollte der Mandant nämlich selbst angegeben haben, neben seinem Kontaktmann mit zwei weiteren Personen zur Tatbegehung telefoniert zu haben. Derartige Äußerungen finden sich jedoch im verlesenen Protokoll nicht. Weitere einschlägige Beweismittel (etwa Polizeibeamte) wurden nicht angeführt – sie hätten auch wenig beizutragen gehabt. Auch eine eigenständige Würdigung, die den Fehler hätte relativieren können (dann womöglich kein „Beruhen“ gem. § 337 Abs. 1 StPO (öffnet in neuem Tab)), fehlte. Damit fußte das Urteil maßgeblich nicht auf dem „Inbegriff der Verhandlung“ (§ 261 StPO (öffnet in neuem Tab)) vor dem Berufungsgericht.
Da unser Kollege auch die durchaus nicht immer eindeutigen formalen Anforderungen (der Revisionsgerichte) an seine Verfahrensrüge erfüllt hatte, waren Aufhebung und Zurückverweisung die zwingenden Folgen. Dennoch ist es keine Selbstverständlichkeit, dass ein Obergericht dies auch so klar ausspricht und entscheidet. Nun gilt es den „zweiten Durchgang“ vor dem Landgericht abzuwarten. Hierbei wird dann im Falle einer Verurteilung auch der vom Landgericht bislang übersehene Umstand strafmildernd zu berücksichtigen sein, dass ein Geständnis keineswegs erst in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, sondern bereits unmittelbar nach der Tatbegehung erfolgte. Auch eine strafmildernde Berücksichtigung der Einziehung eines wertvollen Smartphones als Tatmittel gem. § 74 StGB (öffnet in neuem Tab) bliebe noch nachzuholen. Aber vielleicht kommt es ja auch doch noch zu einem Freispruch.
